Medizinische Behandlung in Ostjerusalem
Das vom Lutherischen Weltbund betriebene Auguste-Viktoria-Krankenhaus auf dem Jerusalemer Ölberg ist das einzige Krankenhaus, das moderne Krebs- oder Dialysetherapien für Menschen aus den palästinensischen Gebieten anbietet. Eine akute Finanzierungslücke hat dazu geführt, dass von September 2021 bis Juni 2022 keine neuen Patientinnen und Patienten mehr aufgenommen werden konnten. Hunderte warten nun auf eine Behandlung.
Hochprofessionell, aber unterfinanziert
In den vergangenen zwanzig Jahren hat sich das Auguste-Viktoria-Krankenhaus in ein hochspezialisiertes Krebszentrum entwickelt, in dem Behandlungen angeboten werden, die für die rund fünf Millionen Palästinenserinnen und Palästinenser im Westjordanland und im Gazastreifen sonst nirgends zugänglich sind. Auch für viele Dialysepatientinnen und -patienten ist das AVH eine lebenswichtige Anlaufstelle.
Aufgrund erheblicher Verzögerungen bei der Bezahlung von Rechnungen für Patientinnen und Patienten, die vom palästinensischen Gesundheitsministerium zur Behandlung hierhin überwiesen wurden, leidet das Auguste-Viktoria-Krankenhaus seit vielen Jahren unter einer chronischen Finanzierungskrise. Hinzu kam kürzlich eine verzögerte Auszahlung von EU-Mitteln, sodass das Krankenhaus seinen regulären Betrieb aussetzen musste. Zwischen September 2021und Juni 2022 konnten keine neuen Patientinnen und Patienten mehr aufgenommen werden. Mindestens 500 Krebskranke mussten abgewiesen werden.
Glücklicherweise wurden die EU-Mittel inzwischen freigegeben, sodass das Auguste-Viktoria-Krankenhaus wieder zum Regelbetrieb zurückkehren konnte. Doch das Team steht nun vor einer enormen Herausforderung: Alle wartenden Patientinnen und Patienten sollen so schnell wie möglich ihre Behandlung beginnen, während jeden Tag neu diagnostizierte Fälle hinzukommen!
Doppelte Belastung für Schwerkranke
Das Warten auf einen Therapieplatz kann insbesondere für krebskranke Kinder schwerwiegende Folgen haben. Zwar liegen die Heilungschancen im Kindesalter bei 75 %, die Wahrscheinlichkeit hängt jedoch auch wesentlich von einem frühen Behandlungsbeginn ab. Laut Kinderärztin und Onkologin Dr. Khadra Salami ist deshalb jedes krebskranke Kind ein dringender Fall. Für Jungen und Mädchen aus Gaza kommt erschwerend hinzu, dass ihre Familienangehörigen nicht immer die nötige Reiseerlaubnis von den israelischen Behörden bekommen, um sie ins Krankenhaus zu bringen. Dadurch müssen immer wieder Termine verschoben oder abgesagt werden.

Der 15-jährige Abed aus Gaza hatte einen Tumor im Oberschenkelknochen. Er wurde zur Behandlung an das Auguste-Viktoria-Krankenhaus überwiesen und sollte alle zwei Wochen Chemotherapie bekommen. Zwei Termine hat er verpasst, weil ihn niemand aus seiner Familie begleiten durfte. Dadurch musste die anschließende Operation verschoben werden.
Am Tag der Operation stand Abed dann plötzlich ganz allein im Krankenhaus. Als es in den OP-Saal ging, hatte der Junge Tränen in den Augen. Zwar war ein Sozialarbeiter des Auguste-Viktoria-Krankenhauses an seiner Seite, doch er hätte sich sehr gewünscht, dass seine Mutter bei ihm gewesen wäre. Diese Umstände bedeuten eine doppelte Belastung für die Kinder, die sich doch ganz darauf konzentrieren sollen, gesund zu werden!

Da über die Hälfte der Menschen in den palästinensischen Gebieten unterhalb der Armutsgrenze lebt, gibt es noch weitere Hürden für den Aufenthalt im Auguste-Viktoria-Krankenhaus. Viele Familien können Fahrt- und Übernachtungskosten in Ostjerusalem schlicht nicht bezahlen. Oft fallen auch Kosten für Untersuchungen an, die nicht im Krankenhaus selbst durchgeführt werden können.
Der LWB steht Kranken und ihren Familien zur Seite
Der Lutherische Weltbund betreibt das Auguste-Viktoria-Krankenhaus seit 1950. 2021 wurden dort mehr als 12.400 Patientinnen und Patienten behandelt. Neben der medizinischen Versorgung leisten die Ärztinnen, Ärzte, Pflegekräfte sowie Sozialarbeiterinnen und -arbeiter auch menschlichen Beistand. Zum Beispiel unternimmt das Team der Kinderkrebsstation einmal im Jahr einen Sommerausflug mit den Mädchen und Jungen – für viele ein Lichtblick im Krankenhausalltag. Nierenkranke Kinder, die aufgrund ihrer Dialyse viel Zeit im Krankenhaus verbringen müssen, erhalten Unterstützung, um einen Schulabschluss zu machen.
Besonders bedürftige Familien erhalten auch ganz praktische Unterstützung: Aus dem sogenannten „Poor Fund“ können Ausgaben bezahlt werden, die nicht durch die Krankenversicherung abgedeckt sind. Das kann eine Busfahrt von Gaza nach Jerusalem sein, die Übernachtung einer Mutter, die ihr Kind ins Krankenhaus begleitet, oder auch ganz simple Dinge wie vielleicht ein Schlafanzug. Der Poor Fund wird komplett durch Spenden finanziert und muss immer wieder neu aufgefüllt werden. Jeder Beitrag ist herzlich willkommen!